Ich Laufe meiner Zertifizierung bei der IPMA (Level D in Deutschland, Level C in Skandinavien) habe ich verschiedene Herangehensweisen an die inhaltliche Auseinandersetzung des Themas und die Prüfung kennengelernt. Daraus abgeleitet, insbesondere auf Basis der National Competence Baseline von Skandinavien, ergab sich für mich ein Verständnis des Projektmanagements auf einer Metaebene. D.h. unabhängig von den verschiedenen angebotenen Projektmanagementmodellen (PMI, IPMA, Prince2 usw.) lassen sich die Anforderungen an den Projektmanager allgemein formulieren. Diese müssen dann noch auf das Managementmodell eines spezifischen Projekts heruntergebrochen werden.
Mein Verständnis dieser Anforderungen an den Projektmanager habe ich zusammengefasst. Er muss bei seiner Arbeit folgenden Aufgabenfelder anwenden können:
- Charakterisierung von Projekten und was ist Projektmanagement?
- Auswahl eines geeigneten Projektmanagementmodells
- Planen von Projektmanagementphasen
- Planung des projektspezifischen Managementaufwands
- Beurteilung des ausgeführten Projektmanagements
- Förderung der Projektmanagementprozesse im Unternehmen
Charakterisierung von Projekten und was ist Projektmanagement?
Was ist ein Projekt?
Am Anfang einer Aufgabe bzw. Idee ist als erstes die Frage zu beantworten, ob sie überhaupt als Projekt ausgeführt werden soll. Genauer gesagt, sollen Methoden des Projektmanagements angewendet werden oder nicht. Dies impliziert die Frage, was denn ein Projekt genau ist . Nicht jede Aufgabe ist ein Projekt. Eine allgemeinverbindliche Definition existiert nicht. Aber es lassen sich einige Kriterien finden, mit denen sich Projekte charakterisieren lassen:
- Einmaligkeit der Aufgabe
- Vorgaben bzw. Beschränkungen bzgl. Zeit und Budget
- Notwendigkeit einer zeitl. beschränkten, spezifischen Organisation für die Umsetzung
- Notwendigkeit für eine Teamarbeit bzw. organisationsübergreifende Zusammenarbeit
- Spezielle Regeln und Anforderungen im Unternehmen bzw. in der Branche schreiben für die vorliegende Aufgabe einen Projektansatz vor.
Auf der Webseite von openPM werden einige Ansätze für die Projektdefinition aufgeführt.
Notwendigkeit von Projekten
Nun könnte man einwerfen, dass ein Projektansatz überhaupt nicht notwendig ist. Das ist doch alles überflüssiger Overhead. Siehe hierzu auch den Artikel “Projektmanagement Methoden? Mein Erfolg gibt mir recht” der GPM.
Derzeit gelten folgende Begründungen für die Durchführung von bestimmten Aufgaben als Projekt:
- Der Projektansatz ermöglicht es Unternehmen, schnell auf neue Anforderungen von Kunden, neue ökonomische und technologische Entwicklungen zu reagieren. Dies ist auch gerade unter dem Kontext zu sehen, dass die Kunden immer anspruchsvoller werden.
- Der Projektansatz ermöglicht die Delegation der Managementverantwortung für spezielle Aufgaben, deren Ergebnisse in die operationalen Prozesse eingebunden werden müssen. D.h. es gibt einen eindeutigen Veranwortlichen (Projektmanager) für die vorgegebene Aufgabe. Darüberhinaus wird das Management der Organisation, des Unternehmens durch die Installation von Projektmanagern entlastet.
- Mit Hilfe des Projektansatzes kann man sich besser auf den Kunden und seine Anforderungen konzentrieren.
- Der Projektansatz bietet Möglichkeiten, aus der Vergangenheit hinsichtlich Prozessverbesserungen und Rationalisierung zu lernen.
- Der Projektansatz unterstützt die Zusammenarbeit zwischen den Organisationen und Unternehmen, auch international.
Natürlich gibt es nicht den einen gültigen Projektansatz für alle möglichen Aufgaben. Vielmehr muss der Projektleiter prüfen, wie er das Projekt ausführen soll. Dies erfolgt anhand des Typs des durchzuführenden Projekts, wie z.B.:
- Interne vs. externe Projekte
- Projektergebnis, z.B. Softwareerstellung, Bau von Fabriken, Herstellung von Konsumgütern
- Organisationsprojekte
- Forschungs- und Entwicklungsprojekte
- Kulturelle Events
Und was ist nun Projektmanagement?
Nach IPMA umfasst Projektmanagement „sowohl die Planung, Organisation, Überwachung und das Controlling aller Aspekte eines Projekts, als auch die Motivation aller Beteiligten um die Projektziele pünktlich innerhalb der vorgegebenen Kosten und Qualität zu erreichen.“
Somit grenzen sich die Projektmanagmentaktivitäten von denen der eigentlichen Projektausführung gedanklich ab. Letzte beziehen sich direkt auf die Erstellung des Projektgegenstands. Die skandinavischen Projektmanagementinstitutionen, die mit der IPMA assoziiert sind, heben in ihrem Kompetenzmodell diese Trennung ganz stark hervor.
Meiner Meinung nach hilft diese gedankliche Unterscheidung und damit auch, was das Projektmanagement ausmacht. Es heißt zu wissen, welche Herausforderungen in der nächsten Projektphase bestehen, und wie man diesen begegnet. Projektmanagement besteht nicht aus dem sklavischen Abarbeiten von Checklisten der Projektmethoden und Tools. Vielmehr muss der Projektleiter gezielt auf die kommenden Herausforderungen eingehen. Projektmanagement besteht eben nicht aus (nur) dem Erstellen von Gantt-Charts und dann dem Abwarten, dass das Projektteam entsprechend alles abarbeitet. So ist es zwar sehr schön, wenn der Projektmanager zu Beginn des Projekts eine Risikoanalyse und ein Maßnahmenkatalog erstellt. Wenn dieses Dokument dann aber in die Ablage wandert und im weiteren Verlauf nicht angepasst und danach gearbeitet wird, hat er die Idee hinter dem Risikomanagement nicht verstanden.
Auswahl des geeigneten Projektmanagementmodells
Was ist ein Projektmanagementmodell
Wie oben beschrieben beschrieben, lässt sich eine gedankliche Unterscheidung zwischen Projektmodellen und Projektmanagmentmodellen vornehmen.
Ein Projektmodell gibt einen Überblick über die Prozesse, die sich auf die eigentliche Erstellung des Projektergebnisses beziehen. Projektmodelle sind abhängig vom Projekttyp. Beispiele dafür sind:
- Stage-Gate-Modell für Innovations- und Produktentwicklung
- Wasserfallmodell
- V-Modell
- Rational Unified Process (RUP) Modell
- Agile Softwareentwicklung
Projektmanagementmodelle hingegen strukturieren die Arbeit und Aktivitäten innerhalb des Projektmanagements. Beispiele dafür sind
- Phasen- bzw. Meilensteinmodelle (XLPM)
- IPMA Management Phasenmodell
- Project Management Process Groups nach PMI
- Prince2
- Agiles Projektmanagement (nicht zu verwechseln mit agiler Projektausführung)
- Critical Chain Projektmanagement
Die Eintscheidung, ein spezifisches Projektmanagementmodell für ein Projekt anzuwenden, wird i.d.R. durch das Projektmanagement Office (PMO) des Unternehmens vorgegeben. Dabei spielen neben unternehmensinternen Festlegungen aber auch branchenübliche Vorgaben eine Rolle.
Aus dem Projektmanagementmodell resultieren die Prozesse, die ein Projektleiter bei seiner Arbeit zu berücksichtigen hat. Wie schon oben erwähnt, soll er keineswegs die Liste der Projektmanagementprozesse mechanisch abarbeiten. Aber das Projektmanagementmodell gibt ihm die Hilfestellung, seine Arbeit zu strukturieren. Der Projektmanager muss entscheiden, welche Prozesse er mit welchem Aufwand für sein Projekt berücksichtigen muss. Außerdem hat er festzulegen, welche Projektbeteiligten an den Prozessen beteiligen muss. Ein Beispiel ist der Projektstrukturplan, den er ja nicht selbst erstellen kann. Hierfür muss er entsprechende Experten heranziehen.
Rollen im Projekt
Rollen beschreiben Rechte, Pflichten und notwendige Kompetenzen im Projekt. Eine Möglichkeit, Rollen zu beschreiben, ist die Darstellung der Projektorganisation mit ihren Rollen.
Direkt im Projekt involvierte Rollen sind u.a.:
- Projekt sponsor
- Auftragnehmer
- Lieferant
- Lenkungsausschuss
- Projektmanager
- Arbeitspaketverantwortlicher
- Projektmitarbeiter
- Auftragnehmer
Indirekt am Projekt beteiligte Rollen können sein:
- Projektcontroller
- Programmmanager
- Manager aus der Linienorganisation
- Geschäftsführer
- Gewerkschaft
- Qualitätsmanager
- Öffentliche Initiativen
Die Festlegung der Projektorganisation und damit auch die Abgrenzung der einzelnen Rollen zueinander ist vom Projektleiter vornzunehmen.
Planen der Projektmanagementphasen
Hiermit meine ich die Metasicht über das Projekt. Die Projektausführung hat auch ihre Phasen, die durch den Projekttyp bzw. Unternehmens- oder Branchenrichtlinien vorgegeben sind. Die Projektmanagementphasen kann man aber als übergeordnete Strukturierung der Arbeit des Projektmanagers sehen. Die IPMA beschreibt die folgenden 4 Phasen des Projektmanagements, die ihrer Meinung nach für jedes Projekt gültig sind:
- Vorbereitungsphase
- Startphase
- Ausführungsphase
- Abschlussphase
Auf die Projektmanagementprozesse dieser Phasen gehe ich auf meiner Webseite ein.
Planung es projektspezifischen Managementaufwands
Hier geht es nun darum, dass der Projektmanager innerhalb des vorgegebenen Projektmanagementmodells und bezogen auf die aktuelle Projektphase, die notwendigen Aktivitäten planen muss. Dafür muss er auch die notwendigen Vorgehensweisen und Techniken kennen (z.B. im Werk PM3 der GPM).
Es geht aber zusätzlich darum, dass der Projektmanager an die Projektsituation angepasst plant. Steht z.B. ein Meilenstein an, so hat er die dafür notwendigen Aktivitäten für sich im Vorfeld einzuplanen. Was oft passiert ist, dass der Projektmanager bis zum gegebenen Termin des Meilensteins wartet und sich dann wundert, weshalb das Projekt stehenbleibt. Es bedarf halt der Initiative des Projektleiters, um die aus dem Meilenstein resultieren Aktivitäten zu planen und einzuleiten. Da reicht es nicht aus, einen Plan zu haben. Dieser muss auch vom Projektmanager mit Leben gefüllt werden.
Genau das scheint auch das Problem bei vielen Projekten zu sein. Die Qualität des Projektmanagements wird am Vorhandensein von Plänen und Checklisten gemessen, aber nicht am Handeln des Projektmanagers. Was helfen Pläne, wenn der Projektmanager es versäumt, in den betreffenden Phasen zu prüfen, worauf er proaktiv seine Aufmerksamkeit richten soll. Der Projektleiter muss sich also fragen, was die Herausforderungen in der kommenden Phase sind. Hier einige Beispiele:
- Schaffung optimaler Bedingungenfür die Projektausführung, z.B.
- Umgang mit den Stakeholdern
- Beschaffung von Ressourcen
- Risikoidentifikation
- etc.
- Spezielle Herausforderungenim Rahmen der Projektausführung (= Schaffung Projektgegenstand), z.B.
- Definition der Anforderungen
- Vermeidung der unkontrollierten Anforderungsänderungen bzw. -erweiterungen
- etc.
Und deshalb muss vermieden werden, dass die Planung aus reinem Selbstzweck erfolgt, weil z.B. ein Qualitätsmanager bestimmte Projektplanungsdokumente verlangt. Dann artet die Projektplanung evtl. zu einem formellen Overhead aus, der in keinem Verhältnis zu den anstehenden Aktivitäten / Herausforderungen im Projekt stehen. So besteht dann auch die Gefahr, dass sich der Projektleiter in zu vielen Details verliert und das Gesamtbild aus dem Fokus gerät.
Letztendlich muss der Projektmanager über genügend Flexibilität verfügen, um bei Änderungen, Abweichungen und Krisen schnell reagieren zu können, ohne dass ein Wust an Planungsdokumenten überarbeitet werden muss.
Beurteilung des ausgeführten Projektmanagements
Zur Arbeit des Projektmanagers gehört auch, dass seine Arbeit, d.h. sein initierten Managementprozessen im nachhinein auf ihren Erfolg bzw. ihr Ergebnis überprüft werden. Ein Grund dafür ist, die Organisation / das Unternehmen in die Lage zu versetzen, aus Projekten für die Zukunft zu lernen. Die Dokumentation der Beurteilung bietet dafür einen systematischen Ansatz.
Die dafür übliche Vorgehensweise ist:
- Dokumentation der Arbeit des Projektmanagers
- Durchführen eines Assessments über das ausgeführte Projektmanagement
- Überprüfen der tatsächlich eingetretenen Ergebnisse
- Dokumentation der Ergebnisse
- Entsprechende Anpassung der Projektmanagementprozesse für zukünftige Projekte
Förderung der Projektmanagementprozesse im Unternehmen
Die IPMA sieht die Förderung der Projektmanagementprozesse als Bestandteil der Aufgaben des Projektmanagers. Das kann z.B. wie folgt aussehen:
- Klarstellung der Ziele von Projektmanagementprozessen
- Bessere Strukturierung der Projektmanagementprozesse
- Einbringen von Methoden, Templates, Tools usw.
- Stimulierung des Dialogs zwischen den Projektmanagern innerhalb der Organisation / des Unternehmens
Spezielle Meetings mit Projektleitern (organisiert vom PMO) aber auch als Agendapunkt in Projektmeetings sollen Ausgangspunkt für die entsprechende Unterstützungsleistung des Projektmanagers sein.
Klasse Beitrag! Danke. Und diesen Satz muss man unterstreichen und er wäre mehrere Blogposts wert. “Da reicht es nicht aus, einen Plan zu haben. Dieser muss auch vom Projektmanager mit Leben gefüllt werden. Genau das scheint auch das Problem bei vielen Projekten zu sein.”
Bei uns stellt sich täglich die Frage, wie man diese Punkte in eine (unsere) Software integrieren kann. Wir motiviert man in einer Software den Projektleiter? So richtig funktionieren die Ansätze des E-Learnings, die mir bekannt sind, nicht, aber sicher ist das Stichwort “Gamification” noch lange nicht zu Ende gedacht…
Ist dieser Blog noch aktiv. Ich sehe dass der letzte Eintrag em 4.12.2012 geschrieben wurde. Ich bin Amerikaner und wuerde gerne als Projektleiter in eine deutsche Firma einsteigen. Ich spreche deutsch fast so gut wie ein Muttersprachler und moechte wissen, wie ich mein Ziel am besten erreichen kann. Vielen Dank im voraus fuer ihren Ratschlag.