Mit diesem Artikel gehe ich auf ein Sternbild ein, welches in unseren Breitengraden so gut wie gar nicht über dem Horizont zu sehen ist. Aber es passt zu meinem letzten Artikel über das Sternbild Widder. Ich meine das Achterdeck zum Sternbild des Schiffs der Argonauten.
Nun wird der geneigte Leser evtl. einwenden, dass das Schiff der Argonauten kein Sternbild ist. Und formal hat er recht 😉 Tatsächlich wurde aber eine solche Sternkonstellation zu antiken Zeiten von Ptolemäus eingeführt, das Schiff Argo, lat. Argo Navis. Es handelt sich um das Schiff, mit dem sich die Argonauten auf die Suche nach dem Goldenen Vlies machten. Für die alten Ägypter war die Konstellation ebenfalls ein Schiff, mit dem ihr Gott Osiris fuhr. In Canopus sahen sie einen Steuermann. Das Sternbild Argo Navis ist heute allerdings aufgrund seiner Größe nicht mehr gebräuchlich. Nicolas Louis de Lacaille teilte es in seinem 1763 unter dem Namen „Coelum Australe Stelliferum“ erschienenen Katalog in die drei folgenden Sternbilder auf:
Achterdeck (Puppis):
Das Achterdeck ist ein ausgedehntes Sternbild westlich und südlich des Großen Hundes (Canis Major). Vier seiner Sterne sind heller als die 3. Größenklasse. Aufgrund seiner Lage kann das Sternbild von Europa aus vollständig nur im äußersten Süden gesehen werden (Süd Spanien, Sizilien, Peloponnes). Von Mitteleuropa aus steigt das Sternbild etwas südlich bis zur Mitte. Zu diesem Sternbild werde ich im letzten Abschnitt dieses Blogartikels einige für in Deutschland sichtbare Beobachtungsobjekte aufzählen.
Schiffskiel (Carina):
Schiffskiel oder Kiel des Schiffes, im heutigen astronomischen Gebrauch Carina (aus dem Lateinischen) ist ein Sternbild des Südhimmels und in unseren Breiten nicht sichtbar.
Schiffssegel (Vela):
Das Segel des Schiffs, eigentlich „Die Segel“ da der lateinische Name Vela für die Mehrzahl steht), ist ein Sternbild des Südhimmels und ebenfalls bei uns nicht sichtbar.
Diese Aufteilung wurde mit der offiziellen Festlegung der Sternbilder von der IAU übernommen. Die folgenden Abbildungen aus meinem Astronomieprogramm Starry Night Pro Plus 7 zeigen die drei Einzelsternbilder vom Standort Johannisburg hoch am Himmel. Die dritte Abbildung zeigt eine Illustration des Schiffs Argo, welche über die drei Teilsternbilder gelegt wurde.
Von diesen drei Sternbildern ist wie gesagt ausschließlich das Achterdeck teilweise in unseren Breiten zu sehen. Und das auch nur für eine kurze Zeit im Jahr. Das folgende Bild zeigt das Achterdeck am 1. Februar beim Standort Berlin:
Im Film zeige ich die Position der drei Teilsternbilder im Jahresvergleich. Da der Standort in Berlin liegt, habe ich den Horizont transparent eingestellt, damit alle drei Sternbilder zu sehen sind.
Herkunft und Mythologie
In meinem Artikel zum Sternbild Widder habe ich die Reise der Argonauten beschrieben. Daher gebe ich hier nur einige Zusatzinformationen zum Schiff Argo.
Apollonios von Rhodos schreibt in „Die Fahrt der Argonauten“ (2):
(19) Das Schiff nun, so rühmen noch die früheren Sänger, habe Argos nach Athenes Unterweisungen gebaut.
(519) Aber als die glänzende Eos mit schimmernden Augen (520) die steilen Kuppen des Pelion erblickte und die Klippen unter heiterem Himmel im Wind bespült wurden, weil die Salzflut in Bewergung war, da nun erwachte Typhis. Und sofort trieb er die Gefähten an, das Schiff zu besteigen und sich die Ruder zurechtzulegen. Gewaltig schrie der Pagaseïsche Hafen auf und auch die Pelische Argo selbst (525) und spornte sie an, abzufahren. Denn in sie war ein göttlicher Stamm geführt, den Athene in der Mitte des Vorderstevens aus der Dodonischen Eiche eingepasst hatte.
Als Erbauer des Schiffs gilt der Argonaut Argo , der es mit Athenes Hilfe zimmerte. Wie aus dem Zitat oben ersichtlich, konnte das Schiff sogar sprechen. So schreibt Apollodorus in seinem Buch 1 (3):
(110) Als Iason diesen Auftrag erhielt, rief er Argos den Sohn des Phrixos, den jener von Chalkiope hatte; dieser baute unter Anleitung der Athena einen Funfzigruderer, den man nach seinem Erbauer „Argo“ nannte. Am Bug fügte Athena ein sprechendes Holzstück von der Dodinischen Eiche ein. Das Schiff wurde fertig gestellt, und der Gott, den Iason befragt hatte, riet ihm zur Fahrt, wenn er die Besten aus Hellas um sich versammelt hatte.
Der eingesetzte sprechende Balken gab Anweisungen, sobald das Schiff den Hafen verlassen hatte. Für das Schiff am gefährlichsten war die Fahrt an den Symplegaden vorbei. Es handelt sich um zwei Felsen, die den Eingang zum Schwarzen Meer bewachen. Sie zermalmen jedes Schiff, das hindurchfahren wollte, indem sie mit ungeheurer Wucht gegeneinander prallten. Mittels eines Tricks gelang die Durchfahrt. Jason ließ eine Taube vorausfliegen, welche die Felsen zusammenprallen ließ, um beim Wiederauseinandergehen der Felsen mit dem Schiff durchzuschlüpfen. Rettend gab Athene dem Schiff einen letzten Stoß, bevor die Felsen wieder zusammenschlugen. Dabei wurde allerdings der sprechende Balken zerschmettert.
Das Schiff fasziniert aus Sicht der Forschung auch in heutiger Zeit. Wäre ein so beschriebenes Schiff seetüchtig? Darüber hinaus möchte man nachvollziehen, wie in antiker Zeit im Mittelmeerraum auf dem Seewege Distanzen überwunden worden. So wurde von der wissenschaftlichen Gruppe Naudomo der Versuch unternommen, das Schiff nach Stand der antiken Quellen nachzubauen und die Strecke von Volos (damals Iolkos) nach Kolchis abzufahren.Siehe z.B. den Artikel in Spiegel Online vom 30.06.2008.
Der in diesem Jahr vorgestellte Dokumentarfilm „Argo Navis“ bezieht sich auf den Bau und die Fahrt dieses Experimentalschiffes. Siehe hierzu diesen Artikel auf Griechenland Aktuell. Der folgende Youtube Film zeigt eine Intro zu diesem Film:
https://youtu.be/-zf0pVRgz0g
Literatur:
(1) Ian Ridpath, Die großen Sternbilder, 88 Konstellationen und ihre Geschichten, S. 139, 174 ff.
(2) Apollonios von Rhodos, Die Fahrt der Argonauten; herausgegeben, übersetzt und kommentiert von Paul Dräger, Reclams Universal-Bibliothek Nr. 18231, 2002 Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart.
(3) Apollodoros, Götter und Helden der Griechen; eingeleitet, herausgegeben und übersetzt von Kai Brodersen, 2012 WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt.
Das Sternbild Achterdeck in der Hobbyastronomie
Das Sternbild und dessen Sterne
Eine Besonderheit dieses Sternbilds ist, dass es keine Sterne mit der Benennung Alpha und Beta gibt. Bei der Aufteilung des Schiffes Argo durch Lacaille wurden die ursprünglichen griechischen Buchstabenbenennungen beibehalten. Der hellste Stern ist Naos mit der Bezeichnung ζ Puppis. Er ist ein extrem leuchtkräftiger Überriese mit der 60-fachen Masse und dem 40-fachen Durchmesser unserer Sonne. Sein Eigenname Naos stammt aus dem Griechischen und bedeutet „Schiff“.
Beobachtungsobjekte im Sternbild des Widders
Übersicht:
- Messier 46 (NGC 2437): Offener Sternhaufen
- Messier 47 (NGC 2422): Offener Sternhaufen
- Messier 93 (NGC 2447): Offener Sternhaufen
- NGC 2423: Offener Sternhaufen
- NGC 2438: Planetarischer Nebel
- NGC 2539: Offener Sternhaufen
In Deutschland sind folgende Objekte im Himmelsbereich des Sternbilds nur am Horizont oder darunter zu sehen
- NGC 2298: Kugelsternhaufen
- NGC 2451: Offener Sternhaufen
- NGC 2477: Offener Sternhaufen
- NGC 2546: Offener Sternhaufen
Messier 46 – Offener Sternhaufen
Dieser Sternhaufen ist ca. 5.400 Lichtjahre von uns entfernt. Im Vordergrund von M46 ist der planetarische Nebel NGC 2438 zu sehen. Er gehört allerdings nicht zum Sternhaufen und liegt in einer Entfernung von nur 3.000 Lichtjahren von unserer Erde entfernt.
Abbildung aus SkySafari 5 Pro Plus:
Position in der Milchstraße:
Messier 47 – Offener Sternhaufen
Messier 47 (NGC 2422) ist ein offener Sternhaufen. Er wurde vor 1654 von Giovanni Batista Hodierna entdeckt und später von Charles Messier im Jahr 1771. Dieser Sternhaufen wurde im Verlaufe der Zeit unter dem aktuellen Namen NGC 2422 wiederentdeckt. Es gibt nämlich keinen Sternhaufen an der Position, wie er von Messier angegeben wurde. Messier gab hierzu die Differenzen in Aszension und Deklination zum Stern 2 Puppis an. Kehrt man die Vorzeichen der Koordinatendifferenzen um, entspricht die Position von M47 der von NGC 2422. Bis zur Feststellung durch den kanadischen Astronomen T. F. Morris, dass es sich bei beiden Objekten um den gleichen Sternhaufen handelt, galt M47 als verlorenes Messierobjekt.
Abbildung aus Wikipedia:
Abbildung aus SkySafari Pro 5:
Position in Milchstraße:
Messier 93 – Offener Sternhaufen
M93 ist ein offener Sternhaufen und wurde von Messier 1781 entdeckt.
Abbildung aus SkySafari Pro 5:
Position in Milchstraße:
NGC 2423 – Offener Sternhaufen
NGC 2423 ist ein offener Sternhaufen. Seine unmittelbaren (optischen) Nachbarn sind die beiden Sternhaufen M46 und M47. William Herschel entdeckte den Sternhaufen im Jahre 1786.
Abbildung aus SkySafari Pro 5:
Position in Milchstraße:
NGC 2438 – Planetarischer Nebel
NGC 2438 ist ein planetarischer Nebel. Entdeckt wurde er von William Herschel am 19. März 1786. Der Nebel scheint im offenen Sternhaufen Messier 46 zu liegen. Es handelt sich allerdings um eine Täuschung. Der Sternhaufen (5.400 Lj. Entfernung) befindet sich in gleicher Blickrichtung ca. 2.400 Lichtjahre weiter von der Erde entfernt, als der planetare Nebel (3.000 Lj. Entfernung).
Abbildung aus Wikipedia:
Position in Milchstraße:
NGC 2539 – Offener Sternhaufen
NGC 2539 ist ein heller offener Sternhaufen in 4.000 Lichtjahren Entfernung und enthält etwa 170 Sterne. Im Vordergrund von NGC 2539 liegt der Stern 19 Puppis, der allerdings nicht zum Sternenhaufen gehört und nur 185 Lichtjahre entfernt ist.
Siehe Abbildung von NGC 2539 auf Astrophotography by Jim Thommes.
Abbildung aus SkySafari Pro 5:
Position in Milchstraße:
Eine sehr fleißige, aber sehr interessante und umfassende Arbeit! Und das noch kurz vor dem wohlverdienten Urlaub des Verfassers. Alle Wetter oder besser: Alle Sterne?