Dieser Blogartikel rundet meine Beschäftigung mit der Mondfinsternis vom 27. Juli 2018 ab:
- Countdown Ticker (Informationen rund um das Ereignis)
- Live Blog
Das Besondere für mich war, dass die Beobachtung dieses Mal während des Urlaubs im Freien stattfand. Dafür hatte ich mir ein Reiseteleskop zugelegt, das Skywatcher Maksutov Teleskop MC 102/1300 mit der Montierung AZ-GTi GoTo WiFi. Ich habe mir den Handcontroller noch separat gekauft, weil ich die Steuerung nicht dem Smartphone / Tablett überlassen wollte. Ich benötigte das Smartphone für die Fotos am Teleskop und das Tablett für meinen Liveticker und das Abrufen weiterer Informationen und Impressionen aus der Community.
Im Vorfeld hatte ich Bedenken, ob ich das Teleskop überhaupt für die Zeit kurz nach dem Mondaufgang so richtig verwenden kann. Denn im Gegensatz zu meinem Celestron NexStar lässt das Alignment des Sky Watcher keine 1-Star-Ausrichtung mit einem beliebig von mir vorzugebenden Objekt zu. Mittels „Brightest Object“ muss man eins von der Montierung vorgeschlagenen Objekte wählen. Dieses fährt man dann an, zentriert und bestätigt es. Danach schlägt es zwei weitere Sterne vor, die dann von der Montierung angefahren werden. Die Objekte muss man dann ebenfalls im Okular zentrieren und bestätigen. Das stellte ich mir schwierig vor, da zum Mondaufgang höchstens nur die Planeten sichtbar wären. Um es gleich hier zu sagen: das Alignment funktionierte auch ohne sichtbare Sterne. Ich schränkte den Himmelsbereich für das erste zu bestätigende Objekt so ein, dass mir der Jupiter vorgeschlagen wurde. Diesen konnte ich problemlos anfahren. Die anderen vom Teleskop vorgeschlagene Sterne bestätigte ich ohne diese sehen zu können. Die Ausrichtung und das Guiding im Anschluss waren dennoch sehr gut.
Zurück zu Beobachtung. Der Transport des Equipments zum Beobachtungsplatz erfolgte mit Fahrrad und Croozer Anhänger:
Für den interessierten Ostseeurlauber sei gesagt, dass wir uns in Zingst aufhielten. Nach einer Vorortbegehung am Bodden entschlossen wir uns für die Aussichtsplattform beim Kranich-Beobachtungsposten in Sichtweite der Meiningenbrücke. Hier hatte man eine perfekte Südostsicht mit freiem Blick bis Richtung Süden:
Die Wettervorhersage war eigentlich wohlwollend. Es gab allerdings zwei Einschränkungen, die dem Abend die Bewertung „10,0“ verwehrten. Es hielten sich Richtung Süden hartnäckig horizontnahe Wolken, die sich leider auch nicht verzogen:
Das war doch ein bisschen ärgerlich, da es in alle anderen Himmelsrichtungen die perfekte Sicht gab:
Die zweite Einschränkung war der Wind, der eine gute teleskopische Beobachtung der Planeten erschwerte. Sinnvoll nachzubearbeitende Fotos ließen sich nicht erstellen. Aber immerhin konnte man Jupiter, Saturn und auch später den Mars mit nicht allzu hoher Vergrößerung visuell betrachten.
Zuerst noch die Daten meines verwendeten Equipments:
- Skywatcher Maksutov Teleskop: Öffnung 102 mm, Brennweite 1300 mm
- Okular: Baader Hyperion 17 mm (= 76-fache Vergrößerung)
- Kamera am Teleskop: iPhone X mit Apple Foto-App
- Kamera für Szenerie: Olympus M10 (Mark 1)
- Objektiv 1: ZUIKO DIGITAL ED 8mm FISHEYE 1:3.5
- Objektiv 2: Olympus M.Zuiko Digital ED 14-42mm (Pancake)
- Celestron PowerTank LiFePO4 12V/3A
Das Fisheye Objektiv und Fotostativ lieh ich mir beim Max Hünten Haus für 24 Stunden aus.
Fahrplan für den Abend und die Nacht:
- 19:31 Eintritt in den Halbschatten (unsichtbar, da unter dem Horizont)
- 20:24 Eintritt in den Kernschatten (unsichtbar, da unter dem Horizont)
- 21:09 Mondaufgang (Zingst)
- 21:30 Beginn der Totalität
- 22:20 Vollmond
- 22:21 Mitte der Finsternis
- 22:30 ISS Überflug
- 23:13 Ende der Totalität
- 00:19 Austritt aus dem Kernschatten
- 01:30 Austritt aus dem Halbschatten
Gegen 20:30 Uhr war ich dann nicht mehr alleine. Die Plattform, aber auch der Deichweg zwischen Plattform und Kranich Beobachtungsposten füllten sich zunehmend. Ich kam auch mit einigen Interessierten ins Gespräch und habe Fragen zum Teleskop beantwortet. Ich merkte, dass selbst der Anblick eines solch kleinen Gerätes die Menschen beeindruckte. Bis ca. 22:10 Uhr war von unserem Standort aus allerdings kein Mond zu sehen. Die tief stehenden Wolken behinderten die Sicht auf ihn. Ich nutzte die Zeit ab ca. 22:00 Uhr, um mir Jupiter und Saturn am noch hellen Himmel anzuschauen. Etliche Leute wunderten sich bestimmt. Denn der Mond war nicht zu sehen und ich blickte sowieso in völlig andere Richtungen.
Einige Kinder fragten mich schließlich, was ich mir denn betrachte. Ich verwies auf die beiden hellen Punkte Jupiter und Saturn. Auf meine Frage, ob sie den Saturn mit den Ringen sehen wollten, kam ein schnelle „Jaaa“ 😀. Das brach dann auf der Beobachtungsplattform das Eis. Denn die Kinder rannten zu ihren Eltern und baten sie, sich ebenfalls die Ringe des Saturn anzuschauen. Weitere Umstehende zeigten ebenfalls Interesse. Trotz etwas verwackelter Ansicht im Okular, der Wind blies leider immer wieder, war der Saturn mit den Ringen gut zu sehen. Viele waren sehr beeindruckt und wollten immer wieder hineinschauen. Den Jupiter steuerte ich dann auch an und fragte dann die Kinder, ob sie neben der Planetenscheibe auch etwas anderes sehen würden. Nach zwei Versuchen wurden dann 3, einmal 4 Punkte gesehen. Ich erklärte, dass es sich dabei um Monde des Jupiter handelt. Auch hier waren die Beobachter begeistert. Mit einem bisschen Geduld und kurzen Windpausen war man sogar in der Lage, zwei der Hauptwolkenbänder auf dem Planeten zu erkennen. So hatte ich viel damit zu tun, das erste Sichtbarwerden des Mondes und den ISS Überflug nicht zu verpassen.
Um 22:10 konnte man den verfinsterten Mond das erste Mal sehen. Dieser war aber noch von Wolkenfetzen teilweise verhüllt. Erst ca. 5 – 10 Minuten später stand er in „voller Pracht“ am Himmel (hier: über den Bäumen). Der Mars wurde anfangs noch von den Wolken verdeckt:
Und dann kam auch schon die ISS, die ca. 7 Minuten zu sehen war. Der Mars stand zu diesem Zeitpunkt endlich über den Wolken:
Die beiden folgenden Fisheye Aufnahmen von 22:55 und 23:10 Uhr zeigen, dass der dunkelste Bereich des Schattens den Mond auf der „rechten Seite“ verlässt:
Es folgen nun einige Mondaufnahmen, die ich am Teleskop gemacht habe. Sie beginnen um 23:09 Uhr kurz vor Ende der Totalität und enden um 00:21 Uhr kurz nach dem Austritt aus dem Kernschatten. Im ersten Bild ging das Smartphone an seine fotografischen Grenzen mit der maximalen ISO-Zahl und Belichtungszeit. Daher ist das Bild auch recht körnig. Man kann bei dem letzten Bild auf der „rechten Seite“ noch die Verfinsterung durch den dunkleren Teil des Halbschattens erkennen. Ich habe außerdem den Austritt des Kraters Tycho aus dem Kernschatten festgehalten:
Schon während des Beginns des Kernschattenaustritts gingen etliche Beobachter. So wurde der Beobachtungsstandort recht schnell leer. Diese Leute verpassten meiner Meinung nach die schöne Szenerie, die sich mit der schnell anwachsenden Mondscheibe entwickelte. Dennoch konnte ich fast bis zum Ende mit einigen „Hardcore“ Interessenten den Austritt aus dem Kernschatten mit bloßem Auge und Teleskop bewundern. Außerdem bot sich mit dem heller werdenden Licht des Vollmonds ein schöner Anblick des Zingster Boddens:
Um ca. 00:30 fing ich an, die Sachen wieder einzupacken. Hier machte sich das Rotlicht Feature des Celestron Akkupacks sehr nützlich. Trotz Vollmondlicht benötigte ich zusätzliche Beleuchtung, um das Equipment auch wieder in richtigen Stellen und Taschen meiner Transporttasche einzupacken. In dieser Zeit war ich dann auch wieder alleine. Glücklicherweise war der Deichweg beleuchtet, so dass ich einigermaßen sicher nach Hause kam. Frau und Kind waren schon viel früher nach Hause gefahren. Der Junior muss in diesem Alter halt noch rechtzeitig ins Bett 😀 und sollte abends auch nicht mehr totmüde mit dem Rad im Dunkeln fahren.
Wer radelt so spät durch Nacht und Wind? Es ist der Hobbyastronom nach der #MoFi ohne Frau und Kind 😜 pic.twitter.com/gPvSEPwutK
— Volker Nawrath (@vnawrath) July 28, 2018
Einige nachträgliche Gedanken zu diesem Abend
Dieser Beobachtungsabend wird mir noch lange in Erinnerung bleiben. Stark beeindruckt hat mich das große Interesse der Umstehenden, seien es Kinder oder Erwachsene. Ich konnte auch zwanglos einige himmelsmechanische Dinge erklären. Ein Beispiel ist die Venus, die mal Morgen- mal Abendstern ist. Außerdem ist der gleichzeitige Anblick von drei Planeten am noch hellen Himmel ebenfalls sehenswert und nicht so häufig anzutreffen. Es lohnt sich also, den Blick öfters an den Himmel zu richten. Es wurden auch die Begriffe Blutmond, Erdbeermond und Blue Moon angerissen. In den Gesprächen kam von den Erwachsenen aber auch Kindern zur Sprache, dass die Astronomie in der Schule vernachlässigt, nein …, geradezu ignoriert wird. Dies wurde bemängelt. Ein Mädchen merkte sogar an, dass sie es schade findet, dass der Lehrstoff für die Naturwissenschaften allgemein immer weiter gestutzt wird. So kommt es, dass viele Dinge, die uns Hobbyastronomen fast schon als zu einfach angesehen werden, aus dem Bewusstsein der Allgemeinheit verschwindet.
Die Astronomie in ihrer Gesamtheit ist ein wunderbares Kulturgut der Menschheit. Richtig dargebracht bringt Astronomie viele Disziplinen zusammen wie Physik, Chemie, Biologie, Mathematik, Informatik / Datenverarbeitung, Geologie und selbst Geschichte mit der Funktion der Astronomie in der Antike incl. Mythologie sowie die jüngere Geschichte der Aufklärung und Entdeckungen. Stattdessen schleicht sich esoterischer Unsinn und Kreationismus auch in Deutschland immer mehr in Lehrpläne und auch in den universitären Betrieb ein, siehe z.B. in diesem Artikel.
Dazu kommt, dass die Lehrpläne, egal ob in den Schulen und Universäten oftmals nach rein ökonomisch ausgerichteten Grundsätzen gestaltet werden, um „willige Arbeitsroboter“ für die Wirtschaft heranzubilden. Ich sehe das z.B. an der FernUni Hagen, an der ich Informatik studierte. Meine Fächer werden zum Teil gar nicht mehr angeboten. Alles muss sich nach nackten Kennzahlen richten. Bildung wird immer öfter nur noch als Mittel für die Karriere gesehen. Bewusstsein für Kreativität, Staunen und intrinsisch motivierte Bildung und das Verlangen die Welt zu verstehen (messtechnisch / wissenschaftlich aber auch philosophisch) sind heute leider oft nicht mehr gefragt.
Ich nehme für mich daher mit, dass solche Aktionen, sich einfach mal in die Öffentlichkeit rauszustellen, ein gutes Mittel sind, die Astronomie (und auch andere Themen) präsent zu halten und vereinzelt sogar Neugier darauf zu wecken. Aber auch privat geförderte Initiativen an Schulen und Kitas sind ein probates Mittel, um Neugier zu wecken. Siehe z.B. meine Aktionen mit Stefan Gotthold hier und hier. Wichtig dabei ist, nicht belehrend, rein technisch und formelfixiert daher zu kommen. Wissensdrang basiert auf Neugier und Emotionen. Astronomische Themen lassen sich aber gut mit Geschichten und konkreten Anwendungsfällen kombinieren. Im Prinzip genügt ein erster Schritt vom Sofa nach draußen.
Toll wir haben das Spektakel hier auch in Athen verfolgt!!