Mit dem nahenden Sommer werden hier in Berlin die Beobachtungsnächte sehr kurz, zumindest was schwach sichtbare und Deep Sky Objekte angeht. Daher wende ich mich im Astronomieteil meines Blogs mal den Sternbildern zu.
Den Anfang macht das Sternbild Hydra, auch bekannt unter dem Namen „Wasserschlange“. Dieses Sternbild zieht sich über eine große Fläche des Himmels hin, tief am südlichen Horizont (bezogen auf unsere Breitengrade). Es kann allerdings nur um den Mai herum vollständig betrachtet werden, denn das Sternbild steht tief am Horizont:
Wie man an den Sternenbezeichnungen erkennt, hat man es hier nicht unbedingt mit bekannten und schon im Altertum benannten Sternen zu tun. Einzige Ausnahme ist der Stern Alphard. Alphard mit der scheinbaren Helligkeit von +1,98 mag der hellste Stern von Hydra. Alle anderen Sterne sind mit den griechischen Buchstaben „durchnummeriert“. Die recht lichtschwachen Sterne, die in unseren Breiten niedrige Position über dem Horizont und auch die recht ausgedehnte Verteilung der Sterne machen es sehr schwierig, das Sternbild überhaupt wahrzunehmen. Dazu kommt, dass Hydra nur in der Zeit um den Mai herum bei uns vollständig sichtbar ist, wie die folgende Animation zeigt:
Insbesondere in lichtverschmutzten Gegenden, wie z.B. in meiner Heimatstadt Berlin, ist es z.T. nicht möglich, alle Sterne der Hydrea zu sehen. Siehe dazu den Abschnitt „Lichtverschmutzung und die Auswirkung auf die Sichtbarkeiten am Himmel“ weiter unten.
Wie kommt dieses Sternbild zu seinem Namen?
Die Hydra / Wasserschlange taucht in zwei griechischen Sagen auf. In der bekanntesten Sage geht es um ein neunköpfiges Monster, die Hydra. Der mittlere Kopf war unsterblich. Die Hydrea lebte in einem Sumpf in der Nähe der Stadt Lerna. Sie terrorisierte die Umgebung, fraß das Vieh und verwüstete die Landschaft. Man sagte, dass Ihr Atem jeden umbrachte, der ihn einatmete.
Der Held Herakles übernahm die Aufgabe, die Hydra zu töten. Er musste allerdings feststellen, dass für jeden abgeschlagenen Kopf zwei neue wuchsen. Zu allem Überfluss wurde Herakles auch noch von einem riesigen Krebs aus dem Sumpf angegriffen. Diesen zertrat Herakles. Schließlich rief er seinen Wagenlenker Iolaos um Hilfe. Dieser brannte die Halsstümpfe der Hydra aus, sobald Herakles einen Kopf abgeschlagen hatte. Zum Ende schlug der Held den unsterblichen Kopf ab und vergrub ihn unter einem schweren Felsen.
Herakles (auch bekannt unter Herkules) findet sich als Sternbild am Himmel, wie auch der Krebs, der den Helden angegriffen hat:
Warum wurde nun auch noch der Krebs in den Himmel versetzt? Der spielt doch nur eine kleine Nebenrolle im Kampf des Herakles gegen die Hydra. Die Göttin Hera, die eine Intimfeindin von Herakles war (das ist eine andere Geschichte), belohnte den Krebs für seinen Beitrag gegen Herakles und versetzte ihn an den Himmel.
Nach einer anderen Sage hängt die Wasserschlange mit den Sternbildern „Becher“ und „Rabe“ zusammen:
Hier wurde der Rabe von Apollon ausgesandt, um Wasser in einer Schale zu holen. Doch der Rabe stoppte bei einem Feigenbaum und ließ es sich mit den leckeren Früchten gut gehen. Er flog dann ohne Wasser wieder zu Apollon zurück. Der Rabe gab der Wasserschlage die Schuld, weil sie ihn angeblich nicht zur Quelle des Wassers durchließ. Apollon wusste aber, dass der Rabe log. Er bestrafte ihn, indem er den Raben an den Himmel bei der Wasserschlange versetzte. Diese verhindert nun für alle Ewigkeiten, dass der Rabe aus der Schale trinken kann.
Ich finde es sehr interessant, dass in einem Gebiet der Naturwissenschaft so viele Geschichten vorkommen, die auch noch 2.000 Jahre und älter sind. Die Naturwissenschaften arbeiten streng mathematisch und nach empirischen Prinzipien. Da passen mythologische Geschichten eigentlich nicht hinein. Die Menschen suchen aber nach Orientierung. Und am Himmel sind es die Sternbild. In den nördlichen Breiten wurden Gestalten aus der griechischen Mythologie übernommen und per Definition als Sternbild festgelegt. Am Himmel der Südhalbkugel finden sich solche mythischen Gestalten nicht. Hier wurden dann im wesentlichen Gegenstände, Erfindungen, Tiere und Gegenden der jüngeren Geschichte übernommen.
Man darf dabei aber nicht vergessen, dass auch andere Kulturen neben der europäischen sich den Himmel einteilten und Geschichten darüber erzählten. Diese fanden dann aber weniger Beachtung in den heute gängigen Bildern. Nichtsdestotrotz sieht man am Beispiel des Sterns Alphard im Sternbild der Hydra, dass auch Bezeichnungen und ggf. auch Geschichten anderer Kulturkreise am Himmel verewigt sind. Alphard kommt aus dem Arabischen und bedeutet „Der Einsame“. Das passt ja auch recht gut zu diesem Teil des Sternenhimmels.
Quellen:
- Die großen Sternbilder, 88 Konstellationen und ihre Geschichten, Ian Ridpath:
- Hydra: S. 99 ff.
- Krebs: S. 53 f.
- Wikipedia: Sternbild Hydra (Stand: 05.05.15)
- Wikipedia: Alphard (Stand: 05.05.15)
- Bilder: Starry Night 7 Pro Plus ergänzt in OmniGraffle 6 Pro
Lichtverschmutzung und die Auswirkung auf die Sichtbarkeiten am Himmel
Wie eingangs schon angemerkt, ist das Sternbild in unseren Breiten sehr unauffällig. In lichtverschmutzten Gebieten wie Berlin ist es streckenweise unmöglich, das gesamte Sternbild zu sehen. Bei meiner Beobachtung am 10. April, in welcher Venus, die Plejaden und der Jupiter im Mittelpunkt standen, konnte ich vom Sternbild Hydra nur die Sterne Epsilon Hydrae (3,37 mag.), Zeta Hydrae (3,09 mag.) und Theta Hydrae (3,87 mag.) ganz schwach und fast nur mittels indirekten Sehen erkennen. Alphard, der immerhin der hellste Stern in dieser Konstellation ist, war für mich nicht sichtbar. Er steht niedriger als die von mir erkannten Sterne. In dieser Höhe war der Himmel noch stärker aufgehellt.
Zur Einschätzung, wie schlecht solche Lichtverhältnisse sind, hier ein Vergleich: die schwächste mit bloßem Auge sichtbare scheinbare Helligkeit ist 6 mag. Dabei muss die Nacht pechschwarz und ohne Wolken sein. Idealerweise sollte man sich dann auch im Gebirge aufhalten, weil dort die Sichtbedingungen am Besten sind. Im Normalfall kann man damit rund 3.000 – 4.000 Sterne am Nachthimmel sehen. Ein Stern mit der scheinbaren Helligkeit von 1 mag ist dabei hundertmal heller als ein Stern mit 6 mag. Die von mir erkennbaren Sterne in der Nacht vom 10. April haben scheinbare Helligkeiten zwischen 3,09 und 3,89 mag. Somit reduziert sich die Anzahl der sichtbaren Sterne auf ca. 200-400 Sterne (siehe Info über scheinbare Helligkeit auf Wikipedia). Wenn man auf einer lichtdurchfluteten Straße steht, reduziert sich das Ganze auf die Planeten Mars, Jupiter, Saturn und ggf. eine handvoll Sterne. Die ganze Pracht des Sternenhimmels samt Anblick der Milchstraße wird einem Stadtbewohner für immer verborgen bleiben.
Schuld daran, dass viele Sterne überhaupt nicht zu erkennen waren, ist die sogenannte Lichtverschmutzung. Hier strahlt Licht aus der Stadt in den Himmel und wird dort gestreut. Dadurch hellt sich der Himmel auf und Sterne sowie die sogenannten Deep Sky Objekte werden schlechter sichtbar. Diese Verschlechterung betrifft nicht nur die Betrachtung mit dem bloßen Auge. Vielmehr sind die Beobachtungsmöglichkeiten durch das Fernglas und Teleskop dadurch erheblich eingeschränkt. Die in den Städten sowieso schon unruhige Atmosphäre wird recht stark aufgehellt, so dass viele Himmelsobjekte dadurch an Kontrast und somit sichtbaren Einzelheiten verlieren.
Aber nicht nur die astronomischen Betrachtungen werden beeinträchtigt. Vielmehr beschäftigen sich viele Forschungsprojekte mit den Auswirkungen auf die Natur, d.h. den Menschen (biologische, soziale und kulturelle Aspekte, die Tiere und die Pflanzen. Vielfach wird davon ausgegangen, dass der Verlust der dunklen Nacht vielfältig negative Auswirkungen hat.
Die Lichtverschmutzung wird auch thematisiert bei der „MS Wissenschaft 2015 – Zukunftsstadt“. Am 7. Mai findet unter dem Titel „Verlust der Nacht“ eine Nachtwanderung statt. Denn in den Städten wird die Nacht zum Tag gemacht, sei es durch die Straßenbeleuchtung, Schaufenster, das Anstrahlen von Gebäuden usw. Im Rahmen des Treffs der Berliner und Brandenburger Sternenfreunde (siehe Blogeintrag auf Clear Sky-Blog) werden ich die MS Wissenschaft besuchen und an der Nachtwanderung teilnehmen.
Weitere Informationen zur Lichtverschmutzung:
- Florian Freistetter, Sternengeschichten Folge 32, Lichtverschmutzung – die Zerstörung der Nacht.
- Florian Freistetter, Lichtverschmutzung und die öffentliche Sicherheit: Erfahrungen in Großbritannien
- Sternenpark Havelland
- Initiative gegen Lichtverschmutzung
- Süddeutsche Zeitung: Die Schattenseiten des Lichts
- Zeit Online: Zu viel Licht für die Welt
- Beispiele der Argumente in einer Diskussion auf Skyscrapercity.com